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Mehrweg Modell Stadt

Das Projekt "Mehrweg Modell Stadt" adressierte die Komplexität und Vielfalt der bestehenden Mehrwegsysteme und entwickelte Lösungen für anbieterunabhängige Rückgabeoptionen in Betrieben und öffentlichen Automaten. Dier Aufbau eines lokalen Netzwerkes von Rücklogistik, Reinigungsdiensten und einem Abrechnungssystem über verschiedene Mehrwegsysteme hinweg war Teil der Maßnahmen. Die Ergebnisse zeigten, dass rund 90% der Mehrwegbecher in den Städten verblieben und rund 68% der genutzten Mehrwegbecher wieder in neue Geschäftsmodelle und Kampagnen wie "Einfach mal nach Mehrweg fragen!" halfen, die Mehrwegnutzung zu fördern. Die Initiative wurde durch öffentliche Aktionen wie den Rheinland-Pfalz Tag 2023 und Messen unterstützt und erreichte eine Bekanntheit von 40%.

Ziele

Durch die Einführung der Mehrwegangebotspflicht im Bereich des Außer-Haus-Verkaufs von Lebensmitteln entsteht ein großes Potenzial, um Einwegverpackungsmüll drastisch zu reduzieren. Die bisherige Marktentwicklung zeigt, dass durch den zusätzlichen Aufwand bei der Rückgabe von Mehrwegegenständen die Akzeptanz und Nachfrage bei Konsumentinnen und Konsumenten deutlich reduziert wird. Die Komplexität wird durch das Aufkommen von verschiedenen Insellösungen mit unterschiedlichen und inkompatiblen Mehrweggegenständen, Pfandwerten und Geschäftsmodellen vergrößert. Besonders schwer wiegt der Umstand, dass Verbraucherinnen und Verbraucher mit unterschiedlichen Mehrwegsystemen im Einzelhandel und in der Gastronomie konfrontiert werden. Besonders durch die Existenz von vielen kleinen und größeren Insellösungen mit unterschiedlichen Mehrweggegenständen und Geschäftsmodellen ist das Schaffen einer harmonisierten Lösung komplex. Eine Patentlösung für die oben beschriebene Organisation von effizienten Mehrwegangeboten mit anbieterunabhängiger Rücknahme gibt es derzeit für Mehrweg To-Go noch nicht und muss entsprechend erarbeitet werden.

Das Projekt „Mehrweg Modell Stadt“ erzeugte deshalb einen Raum zur gemeinschaftlichen Entwicklung und Erprobung von:

  1. Rückgabestellen für Mehrweggegenstände aus unterschiedlichen Mehrwegsystemen, entweder in lokalen Geschäften ergänzt über Rücknahmeautomaten im öffentlichen Raum.
  2. Rücklogistik von gesammelten Mehrweggegenständen aus Rückgabestellen durch existierende, innerstädtische Logistikdienstleister.
  3. Hygienische Reinigung und erneute Bereitstellung von gereinigten Mehrweggegenständen in Mehrwegtransportverpackungen.
  4. Abrechnung und Pfand-Clearing über die unterschiedlichen Mehrwegsysteme, Mehrweggebinde und Pfandwerte hinweg.
  5. Information und Aktivierung der Gastronomie sowie Konsumentinnen und Konsumenten, um eine höhere Mehrwegnutzung zu erreichen

Was haben wir erarbeitet?

Hierbei wurden verschiedene Sichtweisen und Perspektiven aus der lokalen Wirtschaft, von Wirtschaftsverbänden, der städtischen Verwaltung und den Umweltministerien der Bundesländer in die Lösungsfindung einbezogen.

Erarbeitet wurden folgende Bestandteile:

  • Ein Konzept für die anbieterunabhängige Rückgabe von Mehrwegbechern in Betrieben und Rücknahmeautomaten im öffentlichen Raum auf dem ein lokales Netzwerk aus Mehrweganbietern, Lebensmittellogistikern, städtischen Betrieben und teilnehmenden Unternehmen mit ihren Filialen aufgebaut wurde. Insgesamt waren 11 Unternehmen mit 92 Ausgabe-/Rücknahmestellen in diesen Mehrwegkreislauf aktiv eingebunden. Dieses Konzept ermöglichte teilnehmenden Betrieben genutzte Mehrwegbecher in eine Sammelbox zu werfen und zum Leergut zu stellen. Die Zusammenarbeit im lokalen Netzwerk funktionierte direkt und über den gesamten Zeitraum reibungslos.

  • Die Aufstellung und Erprobung von Rücknahmeautomaten im öffentlichen Raum durch die Adaption des Kooky2Go-Konzeptes aus den Städten Zürich und Bern. In diesem bundesweit ersten Projekt im öffentlichen Raum konnten Einblicke für die Verwaltung und Logistik gesammelt werden.

  • Eine erste Version eines Regelwerks und einer Ablauforganisation für die Rücklogistik, Sortierung, Reinigung von genutzten Mehrwegbechern und deren Sammelboxen auf der Basis existierender Logistik vor Ort. Dieses Regelwerk wurde erfolgreich angewandt.

  • Ein Abrechnungskonzept für die Abrechnung zwischen Mehrweganbietern, teilnehmenden Betrieben und Dienstleistern für unterschiedliche Mehrwegbecher mit unterschiedlichen Charakteristika und Pfandwerten.

  • Ein Konzept für eine Wirksamkeitsmessung aufbauend auf der Erfassung serialisierter Mehrwegbecher in den Prozessen des Mehrwegkreislaufes. Das Konzept vermied jeglichen zusätzlichen Aufwand bei den Ausgabe-/Rücknahmestellen und sorgte dennoch für eine lückenlose Rückverfolgbarkeit jedes einzelnen Bechers. Die erhobenen Daten sind derzeit einmalig was die Einblicke in eine so große Modellregion anbelangt.

  • Die Kampagne „Einfach mal nach Mehrweg fragen!“, die dem Personal vor Ort als auch Konsumentinnen und Konsumenten eine Brücke baute, um das Thema Mehrwegnutzung zu adressieren. Zusätzlich wurde ein Gewinnspiel als Incentivierungsmaßnahme etabliert, das mit den QR-Codes der Becher verbunden war.

Das Projekt wurde in verschiedene, öffentlichkeitswirksame Aktivitäten der Städte, Ministerien und Verbände eingebunden (Aktionstage in Mainz und Wiesbaden, Rheinland-Pfalz Tag 2023, Messen). Durch die Kooperation mit der Kampagne „Müll nicht rum“ des rheinland-pfälzischen Klimaschutzministeriums wurde eine breite Öffentlichkeit über die Modellstädte hinaus erreicht. Der Bekanntheitsgrad, ermittelt durch die wissenschaftliche Begleitung des Projektes, lag im März bei 40% in der Stichprobe. Diese und weitere Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung können dem Abschlussbericht der Hochschulen entnommen werden.

Umsetzung und Ergebnisse

Der für März 2024 geplante Aktionsmonat wurde zu einem dreimonatigen Aktionszeitraum erweitert. Die Praxisphase endete zum 30. Mai 2024. Der Wunsch zur Verlängerung und die Bereitschaft der teilnehmenden Unternehmen ermöglichte diese Erweiterung. Die Messung der Wirksamkeit durch Maßnahmen der Rückverfolgbarkeit von Mehrwegbechern erzeugte ein genaues Zahlenwerk über den Praxiszeitraum. Es wurden 1317 vollständige Umläufe erfasst, weitere 354 sind zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen. Die folgenden Erkenntnisse konnten auf der Basis der Wirksamkeitsmessung ermittelt werden:

  • Bei Mehrweg To-Go gemäß §33 VerpackG handelt es sich um lokale Mehrwegkreisläufe – über 90% der ausgegebenen Mehrweggegenstände verblieben in den Städten Mainz und Wiesbaden.

  • Ein Eintrag von umliegenden Kommunen konnte an den Beispielen Eltville am Rhein und Auringen gemessen werden. Der Eintrag durch Pendler betrug ca. 6% der Umläufe in Richtung Wiesbaden.

  • Rund 78% der ausgegebenen Mehrwegbecher kamen im gleichen Unternehmen zurück, davon 68% in der gleichen Filiale. Im Umkehrschluss gehen 22% der Mehrwegbecher bei der anbieterunabhängigen Rückgabe in anderen Rücknahmestellen zurück.

  • Die durchschnittliche Umlaufdauer in den Monaten März und April betrug 38,3 Tage.

  • Automaten im öffentlichen Raum wurden nur äußerst selten genutzt, was einerseits an der verpflichtenden Nutzung einer App aber auch an der allgemein niedrigen Mehrwegquote lag.

  • Das kommunenübergreifende Netzwerk mit 92 Ausgabe-/Rücknahmestellen war das zweitgrößte in der Region (ca. 149 Recup, ca. 49 Vytal im gleichen Bereich). Damit vervielfachten sich die Rücknahmestellen für die involvierten Mehrweganbieter und es konnte gezeigt werden wie eine anbieterunabhängige Rückgabe für Konsumentinnen und Konsumenten genutzt wurde.

  • Das Mehrwegaufkommen in vielen Betrieben des Vergleichszeitraum des Vorjahres wurde innerhalb der ersten Woche bereits übertroffen. Insgesamt lag die Mehrwegquote im Projekt bei unter einem Prozent, was die kritische Lage bei Mehrweg To-Go unterstreicht. Im Pilotzeitraum wurden rund 220.000 Einwegbecher mit Heißgetränken ausgegeben. Ein Betrieb setzte vollständig auf Mehrweg und verzeichnete einen Rückgang von 5% im Umsatz mit Coffee to-go.

  • Das positive Veränderungen möglich sind, zeigten 25 Betriebe, die ihre Mehrwegquote durch Motivation und positive Ansprache der Kunden deutlich steigern konnten. Hier zeigt sich ebenfalls, dass die Angebotsseite alleine nur einen kleinen Effekt erzielen kann, um die Kundinnen und Kunden zur Mehrwegnutzung zu motivieren.

Diese Daten tragen zur weiteren Charakterisierung von Mehrweg To-Go im Allgemeinen bei und schaffen wertvolle Erkenntnisse für die Modellierung der Skalierungsszenarien.

Schlussfolgerungen

Die Einbindung existierender Logistikinfrastrukturen und bekannter Prozesse (bspw. Verplombung der Sammelbox) funktionierte in der Ablauforganisation reibungslos. Betriebe bestellten Nachschub oder eine Abholung telefonisch oder per E-Mail. Im Projektzeitraum wurden 111 Transporte zur Auslieferung (61) und Abholung von Sammelboxen (50) durchgeführt. Auf diesen Fahrten wurde gleichzeitig die Leerung von Automaten durchgeführt. Die gewonnen Erkenntnisse zeigen, unter welchen Bedingungen die Einbindung von existierenden Dienstleistern für die Abdeckung einer gebotenen zeitnahen Abholung kostengünstig gewährleistet werden kann.

Für die Skalierung von Mehrwegangeboten können folgende Ableitungen getroffen werden:

Für Konsumentinnen und Konsumenten sorgt die einfache anbieterübergreifende Rückgabe für mehr Komfort in der Rückgabe von Mehrwegbechern, 32% der Becher kamen in anderen Betrieben als dem Ursprungsbetriebe zurück. Belegt ist auch ein Stammkundeneffekt, der dafür sorgt, dass 68% der Becher im gleichen Betrieb zurückgegeben werden. Eine Aussage über die Wiederverwendung der Becher auf der Datenbasis kann nicht gesichert getroffen werden.

Ein Mengenausgleich zwischen Betrieben, die viele Becher zurücknehmen, gegenüber denen, die viele Becher ausgeben, muss gewährleistet sein, um die Verfügbarkeit von Mehrwegbechern sicherzustellen. Ein Spülen vor Ort fand im Piloten bei geringen Rückgabemengen statt. Mit zunehmender Mehrwegquote werden die vor Ort verfügbaren Gegebenheiten (Personaleinsatz und Spülkapazitäten für Kunststoffbecher) vor allem in kleineren Betrieben (>80m²) nicht mehr ausreichen. Der gesamte Pilot wurde mit 3000 Mehrwegbechern versorgt. Durch die regelmäßigen Mengenausgleiche war zu jeder Zeit die Versorgungssicherheit bei reduzierten Sicherheitsbeständen (Erstausstattung mit 25 Bechern pro Betrieb) gegeben. Das Rücknahmekonzept und die Mengenausgleiche ermöglichen im Verbundsystem die Entwicklung von optimale Poolgrößen und für Platzersparnis in den Ausgabe-/Rücknahmestellen.

Die Einbindung der lokalen Wirtschaft kann die Effekte einer Skalierung durch die existierende Infrastruktur abfangen. Das vorhandene Netzwerk und die notwendigen digitalen Abrechnungsmodalitäten sind vorhanden und können durch Ergänzungen verbunden werden. Ein Beispiel hierfür ist die Einbindung der GEDAT, der nationalen Plattform für die Meldung von Getränkeabsatzdaten, in die Initiative Reusable To-Go. Die digitalen GEDAT-Prozesse bilden als Teil der existierenden Infrastruktur millionenfach Transaktionen von Mehrweggebinden im Getränkebereich einschließlich des Lebensmitteleinzelhandels ab. Für Getränkefachgroßhändler und andere Lebensmitteldienstleister kann, im Rahmen der Hygienevorschriften und rechtlichen Vorgaben, die Abholung von Sammelboxen eine zusätzliche Einnahme pro Stopp ermöglichen. Im Projekt wurde aufgezeigt, welche Prozesse für eine effiziente Abwicklung von Mehrweg To-Go in existierenden Strukturen notwendig sind, und Lösungsansätze mit den Unternehmen in der Initiative Reusable To-Go erarbeitet.

Die Nutzung existierender Logistik ermöglicht nicht nur eine effiziente Rücklogistik für Mehrwegbecher, sondern kann mit dem gleichen Konzept auf andere konsumentennahe Mehrweggebinde übertragen werden. Beispiele hierfür sind Mehrweggebinde im Bereich des Food Service oder auch für Mehrwegversandtaschen im E-Commerce, weil viele Letztvertreiber Kooperationen mit Paketdienstleistern haben und das Konzept der Sammelboxen und Abrechnung übertragbar ist. Die Nutzung von Skaleneffekten durch Integration von neuen Mehrwegsortimenten in existierende Mehrweginfrastrukturen ist deshalb ein Gebot der die Nachhaltigkeit und der Kosteneffizienz. Hierfür bedarf es eines innerhalb der Wirtschaft abgestimmten Regelwerks und einer entsprechenden Organisationsform, um diese Integration sicherzustellen. Aktuell werden Kooperationsmodelle von Teilnehmern auf der Basis der Projektergebnisse untereinander weiterentwickelt, um eine Verstetigung vor Ort zu ermöglichen.

Der lokale Charakter von Mehrweg To-Go und die Einbindung existierender Infrastruktur vor Ort zeigt Ansatzpunkte für Gestaltungsmöglichkeiten für die Kommunen. Durch Maßnahmen wie Mehrweggebote auf Veranstaltungen können übergreifende Konzepte realisiert und Mehrwegbecher auch außerhalb der Veranstaltungsfläche zurückgegeben werden.

Eine Einbindung städtischer Betriebe ist sinnvoll und kann wie im gezeigten Fall des Eigenbetriebs für kommunale Angelegenheiten und Dienstleistungen (EAD Darmstadt) beispielsweise eine Ergänzung zur Spülinfrastruktur schaffen. Die Einbindung von Sozialeinrichtungen, wie hier im Beispiel des Kaufhauses der Gelegenheiten (KAGEL) ist ebenfalls eine weitere Möglichkeit zur Förderung von Sozialeinrichtungen in der Kommune. Die Förderung der lokalen Wirtschaft und damit die Stärkung bestehender lokaler Geschäftsbeziehungen inklusive kommunaler Betriebe wird als vorteilhaft angesehen. Durch die beschriebenen Faktoren kann eine Förderung von Mehrweg To-Go Systemen mit Teilnahme an anbieterunabhängiger Rücknahmemodellen als weiterer Schritt in die Etablierung von nachhaltigen Mehrwegstrukturen vor Ort gesehen werden.